Wie wird man Kunstsammler?

Peter Ibsen ist Sammler, Kurator und Meinungsmacher in der Kunstwelt, der früh mit dem Werk von Gregor Hildebrandt in Berührung kam, das ihn so sehr irritierte, dass er seine komplette Sammlung austauschte. Wir haben ihn gefragt, was dahintersteckt, und vor allem, wie man zum erfolgreichen Kunstsammler wird. Wie vereint man den persönlichen Geschmack mit den Entwicklungen des Marktes und welche Kriterien entscheiden über den Kauf eines Werkes? Außerdem ist er natürlich genau der Richtige, um den Einfluss von Social Media auf traditionelle Galerien zu diskutieren.

Dein Weg in die Kunstwelt führte über eine Begegnung mit dem Werk von Gregor Hildebrandt, zu dem du anfangs gar keinen Zugang gefunden hast. Wie würdest du diese Erfahrung beschreiben und welchen Einfluss hatte sie auf deine Wahrnehmung von Kunst und deine anschließende Sammelleidenschaft?

Tatsächlich hat es schon etwa 10–15 Jahre vor diesem Ereignis mit dem Sammeln angefangen. Ich sammelte hauptsächlich dänische Künstler, sehr bunt und sehr figurativ. Die Zeit, als ich begann, Gregors Werke zu sammeln, war etwas merkwürdig. Ich hatte ursprünglich ein Gemälde gekauft, dänisch, bunt wie immer. Dann sah ich plötzlich dieses schwarze Werk aus Kassettenbändern und dachte mir: „Wie kann das Kunst sein?“ Es war keine traditionelle Malerei. Es hatte keine Pinselstriche. Und ich mochte es anfangs überhaupt nicht. In den darauffolgenden Wochen ging ich immer wieder in die Ausstellung, um „mein“ buntes Bild zu betrachten, aber als ich es abholen wollte, entschied ich mich spontan um und fragte, ob ich stattdessen das schwarze Gemälde kaufen könne. Der Galerist dachte erst, ich sei verrückt, da er wusste, dass ich es nicht mochte. Aber ich musste es einfach haben. Danach änderte ich meine Sammlung. Ich verkaufte alle dänischen Kunstwerke und begann mit einem neuen Ansatz, den ich bis heute verfolge, jedoch immer noch mit den gleichen Regeln und Leitlinien, wenn es darum geht, warum ich etwas kaufe bzw. sammle: Ich konzentriere mich auf ein paar wenige Künstler und kaufe viele ihrer Werke über einen langen Zeitraum. Immer international, minimalistisch, abstrakt und monochrom. Ich finde, je weniger es zu sehen gibt, desto mehr muss man hinsehen. Oft sind es die Aspekte, die man nicht sieht, die besonders interessant sind. Ich kaufe nicht nur hübsche Werke oder „schöne“ Gemälde; sie sollten schwierig sein und dabei mehr über die Idee, das Konzept, den Prozess und das Material aussagen, als es ein schönes Bild vermeintlich könnte. Besonders interessant sind sehr junge, unbekannte Künstler und sehr alte Künstler, die in Vergessenheit geraten sind oder die man übersehen hat.

Interessant, dass du von Richtlinien und Regeln für deine Sammlung sprichst – kannst du darauf näher eingehen? Wie entscheidest du, was in die Sammlung kommt?

Zu den Kriterien, die ich bereits genannt habe, kommt noch hinzu, dass ich versuche, mich nur auf 6–8 Künstler zu konzentrieren, nicht mehr, und tiefgehend zu sammeln. Früher kaufte ich einfach dies und das, ohne Fokus, ohne Richtung und habe es mir vermeintlich einfach gemacht. Das änderte sich und ebnete den Weg für viele bereichernde Begegnungen und Freundschaften mit Künstlern.

Wie schaffst du als Sammler und Kurator den Kompromiss zwischen persönlichem Geschmack und deiner professionellen Herangehensweise?

Ziemlich einfach. Ich zeige und präsentiere nur Kunst, die ich selbst auch sammle, und von Künstlern, die ich kenne und mit denen ich eine Beziehung habe. Ich versuche, nur wenige Shows im Jahr zu machen und den Künstlern Ausstellungen über zwei Monate hinweg zu ermöglichen. In der Branche sind eher vier Wochen üblich. Die Künstler geben alles für ihre Kunst und ich finde, das kann man auch vom Galeristen erwarten.

Soziale Medien, insbesondere Instagram, spielen bei der Entdeckung neuer Künstler eine große Rolle und haben die Art und Weise verändert, wie wir uns mit Kunst beschäftigen. Wie stehst du als Sammler dazu?

Die großartigen Vorteile, die daraus entstanden sind, überwiegen ganz klar. Ich treffe und spreche mit so vielen leidenschaftlichen Sammlern und Künstlern, das wäre ohne die sozialen Medien gar nicht möglich. Es ist, als wäre ich mit Teilen der Welt in Kontakt, die ich vorher gar nicht erreichen konnte. Sowohl für Sammler als auch für Galeristen hat sich eine neue Welt eröffnet. Ich habe Zugang zu jeder Stadt der Welt, kann dort Künstler virtuell treffen, Studios sehen, Sammlungen in Privathäusern … So etwas war früher undenkbar. Ich verstehe auch die Kehrseite davon; mit diesem Medium geht eine große Verantwortung einher. Du musst dir darüber im Klaren sein, dass dich nicht jeder mag. Auch ich bekomme oft negative Nachrichten. Das wiegt die Vorteile aber glücklicherweise bei weitem nicht auf.

Du hast mal von bestimmten Herausforderungen gesprochen, denen Künstler sich stellen müssen, um im Kunstmarkt sichtbar zu werden. Wie glaubst du, können Plattformen wie die Sunday-S Gallery dabei helfen?

Gute Frage. Ich kann als Sammler und Galerist bei Sunday-S sicher viele Türen öffnen und sie am Anfang ihrer Karriere mit Ratschlägen unterstützen – was sie tun oder besser keinesfalls tun sollten, zum Beispiel. Manchmal ist das ein schmaler Grat und Karrieren sind schnell ruiniert. Das möchte ich verhindern, wenn ich kann. Es ist ein Marathon, kein 100-m-Sprint. Tendenziell sind Karrieren, die sich zu schnell entwickeln, nicht nachhaltig. Ein langsamer Aufbau, bei dem die Qualität im Vordergrund steht, lohnt sich.

Gerade, wenn wir von Social Media sprechen, drängt sich die Frage auf: Welchen Einfluss haben diese Plattformen auf die Galerie der Zukunft und auf das Verhalten und die Interaktion von Sammlern?

Ich sehe, höre und spüre es bereits. Es scheint, als wären traditionelle Galeriemodelle und Kunstmessen nicht mehr ganz zeitgemäß, in den Augen vieler Menschen. Wir wollen Kunst in neuen und authentischeren Umgebungen präsentiert sehen, nicht nur in einem weißen Kubus mit Neonlicht. Wieso nicht in einer Scheune auf dem Land, in einer Wohnung oder in einem Bunker? Zumindest irgendwo, wo man es nicht erwarten würde. Gegen den Strom zu schwimmen, könnte in diesen neuen Zeiten gesund sein. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Art des Sammelns wieder zu ihrem Ursprung zurückkehrt, bei dem es auch darum geht, den Künstler zu unterstützen. Im Gegensatz zur aktuellen Jagd nach schnellen Trophäen und dem Erfolg über Nacht. Auch hier ist Geduld geboten und ich hoffe sehr, dass diese Rückbesinnung wieder mehr stattfindet.