Just an Idea

Als sie 1997 den Concept Store Colette gründete, den ersten seiner Art in Paris, war Sarah Andelman ihrer Zeit reichlich voraus. Die französische Visionärin leistete Pionierarbeit
und entwickelte hochkarätige Markenkollaborationen, lange bevor diese zum guten Ton der Modeindustrie gehörten. Zwei Jahrzehnte lang zog Colette als Top-Adresse für Mode, Design, Kunst und Musik Trendsetter auf der ganzen Welt in ihren Bann. Seit der Schließung im Jahr 2017 fragen sich viele, wo die rätselhafte Vordenkerin geblieben ist. Im Interview erzählt uns Andelman von ihrer erstaunlichen Karriere, dem Reiz physischer Räume im digitalen Zeitalter und ihrem neuen Projekt ›Just an idea‹.

Viele sind mit der Geschichte von Colette wohlvertraut. Kannst du die Idee dahinter trotzdem kurz beschreiben und erklären, warum ihr den Laden auf dem Höhepunkt seiner Popularität geschlossen habt?

Die Idee war, alles zu vereinen, was uns gefiel – von Mode über Design, Kunst, Kosmetik, Musik bis hin zu Büchern. Wir hatten ein Restaurant im Keller, Design und Streetwear im Erdgeschoss, (High-)Fashion, Kosmetik und eine Galerie im zweiten Stock. 1997 eröffneten wir mit dem Wunsch, Marken nach Paris zu holen, die wir hier bis dahin vergebens gesucht hatten. Oft gab es sie nur in Japan, den USA oder Großbritannien. 2017 haben wir auf dem Höhepunkt einen Schlussstrich gezogen, um uns an diesem Abenteuer zu erfreuen und auf die 20 Jahre zurückzublicken, anstatt Gefahr zu laufen, die Begeisterung für unsere Idee langsam schwinden zu sehen.

Kanye West hat Colette einmal passenderweise als das „Internet vor dem Internet“ beschrieben. Obwohl sich die Zeiten geändert haben – vermisst du es, einen physischen Raum zu haben, wo alle zusammen- kommen und wo du deine Community persönlich treffen kannst?

Ehrlich gesagt, vermisse ich es gar nicht. Klar spielt sich mittler- weile vieles online ab, aber auch bei meinen aktuellen Projekten habe ich nach wie vor direkten Kontakt zu Kunden. Auch wenn es nicht mehr so intensiv ist wie früher, habe ich viel Spaß daran, Menschen im Laden zu helfen, eine neue Platte aufzulegen und im Hintergrund dafür zu sorgen, dass alles läuft wie geplant.

Colette war ein Vorreiter in Sachen Markenkollaborationen und hat einen Trend gesetzt, der in der Modewelt nicht mehr wegzudenken ist. Was macht deiner Meinung nach eine gelungene Zusammenarbeit aus, und warum denkst du, dass Kollaborationen für die Branche so wichtig geworden sind?

Sie bieten eine fantastische Möglichkeit, Wissen zu vereinen, indem man zwei Welten und zwei Communitys miteinander verbindet. Sie funktionieren allerdings nur, wenn sie inhaltlich Sinn ergeben und authentisch sind. Die Louis Vuitton x Yayoi Kusama Collab hat mir sehr gut gefallen, weil sie die Schaufenster großartig genutzt und das Ganze toll kommuniziert hat. Es ist eine logische Fortsetzung ihrer früheren Zusammenarbeit und deckt sich mit der Strategie von LV, zeitgenössische Kunst zu fördern. Es gibt natürlich auch zahlreiche Beispiele von Nike oder Supreme – allein wenn man an Virgil Abloh und sein Vermächtnis aus all den Kollaborationen denkt, die er eingefädelt hat.

Dein neuestes Projekt ›Just an idea‹ ist gleichzeitig Verlag und Agentur, in der du genau solche Kollaborationen zwischen Marken aufbaust. Woher kommt deine Begeisterung für Bücher und Print?

Gerade in unserer digitalen Welt sind Bücher eine große Berei- cherung. Die Haptik von Papier ist wie eine Umarmung und stellt eine besondere Verbindung zum Medium her, die es online so nicht gibt. Ich denke, das ist eine tolle Plattform für Kreative, um ihre Arbeit zu zeigen. Ich liebe die Idee, all diese Projekte im Regal zu haben, bis man eine Dosis davon braucht. Die Bücher von Just an idea entstehen aus den Begegnungen mit all den Talenten, denen ich eine Bühne bieten wollte, die über Instagram hinausgeht.

Bei deinen Themen geht es oft auch um Wohnen und Architektur. Was ist dir in deinem eigenen Zuhause besonders wichtig, um dich wohlzufühlen?

Es ist alles eine Frage des Gleichgewichts. Ich bin sehr glücklich und dankbar, ein neues Zuhause in Paris und eines in der Nähe von Woodstock zu haben. Beide sind sehr unterschiedlich, haben aber gemeinsam, dass sie mit Dingen gefüllt sind, die wir lieben – von Büchern bis zu den Möbeln. Der wichtigste Raum ist sicher die Küche, dort verbringen wir die meiste Zeit.

Colette war bekannt dafür, dass ihr in sehr hoher Frequenz den gesamten Laden umgebaut habt. Macht ihr das zu Hause ähnlich konsequent?

Wir fügen immer wieder Dinge hinzu, aber nicht wöchentlich und nicht so radikal wie bei Colette ;-). Gewissermaßen ist es ein fortlaufender Prozess. Wir recherchieren viel im Voraus – auch zu Dingen, die wir dann nie ändern, wie die Lichtschalter zum Beispiel. Es ist aber alles sehr persönlich bei uns, und das gefällt mir. Ich denke, das Geheimnis ist, sich mit Dingen zu umgeben, die man liebt, dann fühlt man sich automatisch wohl.