Magazin 21
Nella Beljan
Nella Beljan im Interview über ihre Wohnung in Kreuzberg, die Galerie und die Leidenschaft für schöne Dinge.

In der Design-Welt kennt dich eigentlich jeder. Mindestens hat man von dir gehört. Nicht zuletzt wegen deiner Galerie und deinem supererfolgreichen Instagram-Account. Was erzählst du Menschen außerhalb dieser Welt, was du beruflich machst?
Oft muss ich selbst kurz nachdenken, wenn ich das gefragt werde, weil ich multidisziplinär arbeite. Meistens erwähne ich das letzte Projekt, an dem ich gearbeitet habe. Ich arbeite derzeit in verschiedenen, für mich aber eng verknüpften Aufgabengebieten. Vielleicht ist das Kuratorische das verbindende Element. Als Social Strategist und Consultant entwickle ich digitale Kampagnen und analysiere, wie man seinen digitalen Auftritt verbessern kann. Darüber hinaus arbeite ich als Content Creator und Moodboarderin. Ich mache auch Interior und Set Design. Und ich schreibe und redigiere Texte, im Ganzen mache ich das aber viel seltener als noch vor zehn bis 15 Jahren. Im Grunde habe ich immer schon multidisziplinär gearbeitet und liebe es, mir Wissen anzueignen und immer wieder in neue Aufgaben hineinzuwachsen. Von Hause aus bin ich Kulturjournalistin mit Fokus auf Design, Stil, Literatur und Kunst. Ich bin promovierte Germanistin sowie Historikerin mit den Schwerpunkten Politik- und Zeitgeschichte und Antike sowie literarische Übersetzerin.
Ich habe neben der großen Liebe zu Texten und zum gesprochenen Wort auch immer schon eine ziemlich starke visuelle Wahrnehmung gehabt. Als Kind habe ich die Fotoalben meiner Eltern nach den besten Bildern durchforstet und dann eingerahmt, den Sonntagsfrühstückstisch symmetrisch gedeckt und hatte richtig Spaß dabei, das so schön wie möglich zu gestalten. Es fing also schon früh an, dass ich den Space um mich herum gerne geordnet habe. Schöne Dinge haben mich immer schon magisch angezogen. Und bei meiner Arbeit geht es oft darum, wie man Ruhe und Schönheit in Räume aller Art bringt – ob das imaginäre Räume beim Storytelling sind oder ein architektonischer, analoger Space, das ist für mich nicht wirklich ein Unterschied. Hauptsache, man würde am liebsten selbst gern in diesem Raum sein oder ein Teil davon.

Für mich bist du vor allem Vorreiterin und Stil-Instanz. In der Regel sieht man bei dir, was ein paar Monate später die Instagram-Interior-Seiten flutet. Woher nimmst du deine Inspiration und wie erkennst oder setzt du neue Trends?
Wenn mir etwas gut gefällt, spüre ich die Begeisterung körperlich. Dieses Bauchgefühl ist untrüglich. Ich liebe es, wenn ich neue Accounts mit kleinen Followerzahlen sehe und weiß, die werden ganz schnell groß. Das sehe ich auf den ersten Blick. @Pieterpeulen, @mr.roofpot, @Sansnovazuhause, @casafilipe, @smnstr_: Bei denen war ich die erste oder eine der ersten, die sie gefeatured haben; ich war direkt voller Begeisterung und wusste, das Internet explodiert, wenn ich Fotos von ihnen bei mir feature. Das ist so eine Freude, auf solche Kanäle zu stoßen, die voller Hingabe bespielt werden. Man fühlt das einfach richtig. Und wenn ich es liebe, geht es ganz vielen so. Man muss nur lernen, auf dieses Gefühl zu hören, und ich habe schon früh gelernt, wie wichtig es ist, darauf zu achten.
Hinzu kommt natürlich auch ein großes Interesse an Designgeschichte. Ich habe mit Anfang 20 angefangen, Möbel und skulpturale Objekte zu sammeln und erst alle Mid-Century-Design-Läden abgeklappert, deren Besitzer*innen ausgefragt, um zuhause selbst weiter zu recherchieren. Ich habe, seitdem ich als Kulturjournalistin gearbeitet habe, aber dann auch insbesondere mit dem Instagram-Kanal, so viele Bilder gesehen, da wächst das Wissen automatisch weiter an. Ich habe auch ein gutes Gedächtnis, ich denke, das hilft ebenfalls. Letzen Endes ist zu erspüren, ob etwas Trend wird, etwas, das in wenigen Sekunden passiert, und ich glaube, ich bin ganz gut darin, mir diese besonderen Sekunden zu merken.

Du hast es geschafft, deine Online-Community auch offline an einem Ort zusammenzubringen. Deine Galerie ist eine Mischung aus Showroom für konkrete Produkte, Spielwiese und Event-Location. Wie wichtig ist dir diese physische Repräsentanz
Ich liebe unseren Raum. Das war seit knapp 15 Jahren das erste Mal, das mich eine Fläche so brennend interessiert hat. Ich stand darin und wusste, ich will sie haben, obwohl ich gar nicht auf der Suche nach einer festen Galerie oder Ausstellungsfläche war. Ich wollte eigentlich nur einen Ort für meinen nächsten Pop-up finden. Ich wusste schon als Kind, dass das, was ich gut finde, ankommt. Nachdem das Moodboard so gut lief und ich so viele fantastische Talents kennengelernt habe und daraus auch Freundschaften entstanden sind, habe ich gedacht, dass ich diese tollen Menschen mit ihren fantastischen Objekten auch an einen physischen Ort zusammenbringen möchte, nachdem das im digitalen Raum auf Anklang gestoßen ist. So sind die Pop-ups entstanden, erst mit wechselnden Ausstellungsflächen und seit anderthalb Jahren mit unserer Galerie und dem Showroom in Berlin-Mitte, gleich neben der Julia Stoschek Collection und einen Steinwurf entfernt vom Gendarmenmarkt.
Den Space zu haben, ist am Ende des Tages Fluch und Segen – ich liebe den Space nach wie vor, aber ich sehe mich nicht als Verkäuferin mit festen Öffnungszeiten. Dazu bin ich zu beschäftigt mit anderen Projekten – und ich habe ehrlicherweise auch überhaupt keine Lust darauf. Ich liebe die Abwechslung, die mein Berufsalltag mir bringt, und möchte nicht jeden Tag zur selben Zeit an denselben Ort müssen. Ich mache einfach, worauf ich gerade Lust habe, was mich begeistert, und arbeite mich da akribisch ein, bis ich die Sicherheit habe, mich mit Leichtigkeit auf dem Gebiet zu bewegen. So mache ich das auch mit der Galerie – manchmal zeige ich viele Skulpturen und Keramiken, manchmal Positionen aus der zeitgenössischen Malerei, immer gepaart mit Möbelklassikern und besonderen Interiorstücken, dazu handgemachte Designobjekte, Schmuck und Mode. Ich arbeite gern mit meinen Künstlerinnen und Designerinnen zusammen, wenn ich die Arbeiten kuratiere, und einige von meinen engsten Freundinnen kommen zu unseren Editionen, so nennen wir unsere temporären Verkaufsausstellungen, als Co-Kuratorinnen dazu. Ich finde, so wird der Ort noch interessanter, kreativer, persönlicher. Und ich bin selbst noch lieber da, wenn ich weiß, wohin ich schaue, wohin ich mich bewege, ist da etwas entstanden, ein guter Mix an verschiedenen Horizonten ist fusioniert, und ich habe all das zusammengebracht. Zu sehen, wie so etwas von der ersten Idee, den ersten Direct Messages und E-Mails dann lebendig wird, genieße ich sehr.

Nicht ganz zufällig also, dass wir mit deiner Hilfe unseren Showroom neu gestaltet haben. Gibt es allgemeine Prinzipien, die dir bei der Gestaltung von Räumen besonders wichtig sind?
Ja, ich möchte, dass die Räume, die ich gestalte, Ruhe und Schönheit ausstrahlen, dass man sich außerordentlich wohlfühlt, wenn man sie betritt. Wenn sie Instragram-tauglich sind, schadet das auch nicht. Ich liebe Lampen und finde, dass sie oft zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, dabei kann man damit Möbel wortwörtlich ins rechte Licht rücken. Das Auge wandert gern, und wenn man es schafft, eine ruhige Grundlage zu bilden, ist es total schön, kleine Stillleben – ich nenne sie Blickpunkte – einzubauen, die wie ein kleines Gemälde den Raum verschönern. Das ist auch ganz nebenbei die Zauberformel, dass diese Räume auf Social Media funktionieren: in Stillleben zu denken und zu sehen und so zu fotografieren, dass man sofort sehr gern ins Bild springen würde. Wenn es auf dem Foto gut aussieht, ohne extra gestaged zu werden, und sich im Alltag in dieser Anordnung bewährt, dann fühlt man sich auch als Mensch in dem Raum wohl. Das ist das Tollste für mich. Und natürlich entwickelt sich so ein Raum im Miteinander mit den Kund:innen. Dieser Austausch ist oft ziemlich intensiv – die Leute geben Geld aus und können sich meist nicht so gut wie ich vorstellen, ob etwas funktioniert oder nicht. Da heißt es, Verständnis dafür zu haben, Visualisierungen zu erstellen, mit den tollen Ideen der Kund:innen zu arbeiten, damit das Projekt noch besser wird, und mit liebevollem Nachdruck auf die weniger guten zu verzichten. Und die Kund*innen kontinuierlich am kreativen Prozess teilhaben zu lassen, damit keiner schlaflose Nächte verbringen muss und sich alle gemeinsam auf die Ergebnisse freuen.

Du kreierst auch selbst sehr viel Content und wir lieben deine Homestories. Kannst du beschrieben, welche Menschen und Konzepte dich besonders interessieren?
Danke Dir, die Homestories sind eines meiner liebsten Projekte. Als Journalistin war meine Lieblingsdisziplin auch das Interview. Ich habe dann während des ersten Covid-Lockdowns eine Buchreihe gestartet, Share Your Books with Me. Die war supererfolgreich und ich habe gemerkt, wie gern die Leute noch ein bisschen mehr zu all den tollen Kreativen erfahren, denen sie folgen. Irgendwann habe ich Tim Labendas Wohnung gesehen, die mir gut gefallen hat: ein Altbau in Neukölln mit fantastischem natürlichem Licht. Ich wollte einfach mal ausprobieren, wie die Wohnung aussieht, wenn ich sie fotografiere und keine Filter anwende oder stark bearbeite. Das hat ziemlich gut geklappt, auch, weil Tim und sein Partner Hannes ein sehr gutes Auge haben und leidenschaftlich gern schöne Objekte und Möbel sammeln. Da konnte ich aus dem Vollen schöpfen. Die Wahl auf die Protagonist*innen fällt ziemlich spontan – eins eint sie alle: Es müssen nette Menschen sein. Es macht einfach keinen Spaß, sich mit Menschen zu umgeben, die grumpy sind. Manchmal ist es die Wohnung oder das Licht oder die Persönlichkeit des Menschen, die den Ausschlag geben, dass ich sie frage, mitzumachen, aber immer bilden alle Komponenten einen Teil des Entscheidungsprozesses.
Durch meine zweite Homestory habe ich einen der liebsten Menschen auf dieser Erde kennengelernt: meine enge Freundin, die Architektin Laura Mia Loranzi, in deren Wohnung ich mich sofort verliebt habe. Sie hat mir auch auf eine so stille, angenehme, interessante Art geschrieben, dass ich mich richtig auf darauf gefreut habe, die Homestory zu produzieren. Wir haben sofort connected und diese Nähe ist immer bestehen geblieben. Genauso ging es mir mit meiner besten Freundin Julia Hosiner. Wir können über alles sprechen, und teilen dieselbe Leidenschaften für schöne Dinge. Ich finde es ziemlich interessant, dass wir über unsere gemeinsame Ästhetik noch so viel mehr ähnliche Charaktereigenschaften und persönliche Einstellungen teilen, die wir aneinander schätzen. So ein Instagram Kanal kann natürlich nie die Garantie dafür geben, dass man einen Menschen auch im richtigen Leben mag – aber schon wenn man sich schreibt und das mit dem Visuellen zusammennimmt, ist es ziemlich verblüffend, dass man ein gutes Gespür dafür bekommt, wohin die Reise hingehen könnte. Lee Radziwill hat mal gesagt „People who love beauty, we’re a tribe, really.“

Die Bilder zeigen auch deine eigene Wohnung in Kreuzberg. Wie bist du an die Wohnung gekommen und was ist dir bei deinem eigenen Zuhause wichtig? Und ganz hypothetisch: Wenn du es dir frei aussuchen könntest – wo und wie würdet ihr am liebsten leben?
Ich habe meine Wohnung über eBay Kleinanzeigen gefunden. Wir wollten eigentlich in die Wohnung von Freunden einziehen, das hatte kurzfristig doch nicht geklappt, und so musste ich schnell etwas Neues finden. In Berlin ist der Wohnungsmarkt mittlerweile ziemlich tough, bei unserer Wohnungssuche bin ich auf viele Menschen gestoßen, die schon lange suchen, darunter nicht nur Künstlerinnnen oder Kreative, wie man denken möchte, sondern auch Ärztinnen und Juristi*innen mit Festanstellungen. Ich habe einfach gedacht, wenn ich auf den klassischen Immobilienseiten nichts finde, muss ich halt out of the box denken. Ich glaube, mit unserer Wohnung, das sollte so sein – sie war schon länger online und ich hatte auf meine Anfrage keine Antwort erhalten. Eines Nachts bin ich aufgewacht, konnte nicht wieder einschlafen, und habe gedacht, wenn ich mir eine Wohnung aussuchen könnte, dann wäre es die – der helle Holzboden gefiel mir so gut, die gekalkten Wände wurden original wie vor 200 Jahren wiederhergestellt. Wir haben auch die alten Zimmertüren, bei denen die Wandlaibungen mit schlichten, dekorativen Bekleidungen und Gesims ausgestattet sind. Solche Holzarbeiten werden wohl in Deutschland nicht mehr gemacht und es kamen extra Schreiner aus Südeuropa, um alle Türen und Rahmen herzustellen und einzubauen. Sowas gefällt mir. Und siehe da, obwohl ich eher zurückhaltend bin, kann ich fast unverschämt hartnäckig sein, wenn ich etwas unbedingt will – so war das mit der Wohnung und wir haben sie glücklicherweise bekommen, weil ich mir in jener Nacht, als ich aus dem Schlaf erwacht bin, ein Herz gefasst habe und den Vormieter nochmal angeschrieben habe. Und sieben Stunden später, an einem Sonntagmittag, stand ich in der Wohnung, am nächsten Tag habe ich meine Unterlagen abgegeben und hatte abends die Zusage, bin am Samstag umgezogen. Wir sind ziemlich glücklich mit dieser Wahl.
Letzen Endes wäre ich aber auch in einen Neubau gezogen – mir kommt es darauf an, dass etwas stimmig ist oder die Grundlage dafür da ist, dass ich das Objekt in etwas Stimmiges verwandeln kann. Ich würde total gerne mal eine Zeit lang in New York wohnen und in einem kleinen Häuschen am Meer. Ich habe den perfekten Ort übrigens auch schon gefunden, aber den möchte ich für mich behalten.

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